Bezirksrat Stadtzürcher Gemeinderäte müssen sich in ihren Vorstössen nicht an Sprachvorschriften zur Gleichberechtigung halten. Der Bezirksrat hebt damit einen Entscheid der links-grünen Gemeinderatsmehrheit auf.

Philipp Lenherr

Darf man in einer Interpellation im Zürcher Gemeinderat von «Besetzern» sprechen, oder muss es «Besetzerinnen und Besetzer» oder «Besetzende» heissen? Diese Frage sorgte im Sommer 2019 für Streit. Eine klare Mehrheit des Parlaments entschied schliesslich, den Vorstoss von Susanne Brunner (SVP) inhaltlich gar nicht zu behandeln, weil sie sich nicht an die vom Büro des Rats erlassenen Regeln zum Thema gehalten habe. Diese beruhen auf dem «Reglement für sprachliche Gleichstellung», welches der Zürcher Stadtrat für die Stadtverwaltung erlassen hat. Daraus geht klar hervor: Nur die männliche Form zu verwenden, ist unzulässig, auch im Sinne des generischen Maskulinums, bei welchem die Frauen mitgemeint sind.

Brunner sprach von «Genderpolizei» und reichte gegen den Entscheid Rekurs beim Bezirksrat ein. In seinem gestern veröffentlichten Entscheid gibt dieser Brunner recht: Es gebe keine ausreichende gesetzliche Grundlage, die es dem Büro ermögliche, den Stadtparlamentarierinnen und -parlamentariern vorzuschreiben, wie sie ihre Vorstösse sprachlich zu gestalten haben. Lediglich organisatorische Vorschriften seien zulässig, beispielsweise dass eine Unterschrift nötig ist.

Sprachregeln grundsätzlich unzulässig?

Der von Mathis Kläntschi (Grüne) präsidierte Bezirksrat Zürich geht in seinem Entscheid sogar noch einen Schritt weiter. «Es ist fraglich, ob man eine solche Regelung auf kommunaler Ebene überhaupt erlassen darf», sagt Kläntschi auf Anfrage unter Verweis auf den Beschluss des Bezirksrats. Eine solche Bestimmung würde wahrscheinlich gegen übergeordnetes Recht verstossen. Das Vorgehen der Gemeinderatsmehrheit habe Brunner an der Ausübung des ihr zustehenden Interpellationsrechts gehindert.

«Der Bezirksratsentscheid verhindert, dass die links-grüne Mehrheit einer Minderheit ein Sprachdiktat aufzwingt», sagte Brunner gestern vor den Medien. Sie sei deshalb sehr erfreut über den Entscheid. Letztlich gehe es um nichts weniger als um die Demokratie.

Ihr liege auch die Eleganz der deutschen Sprache am Herzen, sagte sie weiter. «Das sogenannte Gendern macht die Sprache sperrig und verunstaltet sie.» Im Rekursverfahren vor dem Bezirksrat untermauerte sie ihre Position unter anderem mit einem sprachwissenschaftlichen Gutachten. Dieses befasste sich laut Brunner unter anderem mit dem generischen Maskulinum. Dieses hat Brunner in dem vom Gemeinderat zurückgewiesenen Vorstoss verwendet.

Brunner kündigte bei der Einreichung der Beschwerde an, falls nötig bis vor Bundesgericht zu gehen. Ob es dazu kommt, ist derzeit völlig offen.

Gemeinderatspräsident Heinz Schatt (SVP) sagte gestern auf Anfrage, dass das Büro des Stadtparlaments am kommenden Montag über das weitere Vorgehen beraten werde. «Die Vertreter der bürgerlichen Parteien haben den Entscheid so erwartet. Es kann aber natürlich sein, dass die Mehrheit des Gemeinderates, die jetzt unterlegen ist, ihn ans Verwaltungsgericht weiterziehen will», sagt er weiter. Die Frist für einen allfälligen Rekurs beträgt 30 Tage.

Auch wenn die bürgerlichen Gemeinderäte mit dem jetzigen Entscheid gut leben könnten, hätte Schatt nichts gegen einen Weiterzug: «Dann würde ein Gericht für Klarheit in dieser Sache sorgen.»

Brunner lancierte Crowdfunding für die Kosten

Brunner hatte im Herbst zur Finanzierung des Rechtsstreits ein Crowdfunding gestartet. Rund 16000 Franken seien zusammengekommen, sagte sie gestern. Mit dem Geld könne sie die bisher aufgelaufenen Anwaltskosten und das Gutachten bezahlen. Falls der Streit weitergeht, werde sie wohl noch einmal sammeln müssen. Sollte es beim jetzigen Entscheid bleiben, will sie die 4500 Franken Parteientschädigung, welche ihr der Bezirksrat zuspricht, für einen wohltätigen Zweck spenden.

(Publiziert in “Der Lanbote” am 25. Januar 2020)