Zürcher Boten, 16.9.22

SP und AL wollen die Viertagewoche in der Stadt Zürich einführen. Und zwar für Alle. Die Viertagewoche soll für Angestellte der Stadt gelten wie auch in der Privatwirtschaft. Diese 35-Stundenwoche soll als 100-Prozent-Penum gelten und ebenso entschädigt werden. In unserem Land wird die Arbeitszeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem Vertrag geregelt. Da hat der Staat nichts dreinzufunken. Dies hat auch der Bundesrat jüngst so festgehalten, als Antwort auf den gleichen SP-Vorstoss im Nationalrat. Im Nationalrat hat diese Forderung denn auch keine Chancen. Wohl darum haben AL und SP der Stadt Zürich zwei Vorstösse für eine Viertagewoche im Gemeinderat Zürich eingereicht.

Mit einer staatlich verordneten Viertagewoche zu 100 Prozent Lohn haben wir eine Extremforderung vor uns. Das ist im Gemeinderat der Stadt Zürich wahrlich keine Seltenheit, denn Extremforderungen werden von Links-Grün seit letzter Legislatur fast im Wochenrhythmus eingereicht. Neu ist hingegen, dass solche Extremforderungen zunehmend als «Pilotprojekt» oder «wissenschaftlich begleiteter Pilotversuch» daherkommen. Wir haben zum Beispiel derzeit einen Pilot für eine wirtschaftliche Basishilfe für Sans-Papiers im Gemeinderat auf dem Tisch, ein Pilotprojekt für Menstruationsferien in der Stadtverwaltung und ein Pilotprojekt für die kostenlose Nutzung der Toiletten für Passanten in Gastronomiebetrieben. Und am 25. September stimmt die Stadtzürcher Bevölkerungen ab über einen wissenschaftlichen Pilotversuch für ein Grundabkommen.  

Warum sind Pilotversuche bei den Linken so in Mode? Ich orte dahinter das Kalkül der links-grünen Parteien, mit zeitlich begrenzten Projekten eher eine Mehrheit zu erlangen im Stadtparlament. Mit ihren links-aussen Extremforderungen würden sie im Kantonsrat oder auf Bundesebene scheitern. Die Stadt Zürich hingegen, mit der linken Mehrheit im Gemeinderat, ist das beste Territorium, um sozialistische Ideen zu verwirklichen. Politstrategisch ist dies ein klug gewähltes Vorgehen: Man kommt nicht direkt ins Ziel, aber langsam, schrittweise. Und mit einer wissenschaftlichen Begleitung können wunderbar Argumente für die Forderungen nach flächendeckender, kantonaler oder nationalen Einführung abgeleitet werden.

Wir dürfen solche Pilotprojekte also keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen, auch wenn sie zeitlich begrenzt und finanziell überschaubar sind. Die Stadt Zürich darf nicht das Versuchslabor für links-grüne Studien werden. Wissenschaft findet in Hochschulen und Forschungseinrichtungen statt und nicht in der Politik. Mit der nachfolgenden schrittweisen Umsetzung der linken Ideen landen wir langfristig vom Versuchslabor Zürich direkt im Sozialismus und in der Planwirtschaft.